Interdisziplinäres Zentrum für
Bewegungs- und Sportmedizin
Wuppertal e.V.

Sporttherapie

Erfahrungsberichte

Als ich mich 2006 zum ersten Mal zum Sportcamp anmeldete, hatte ich mir etwas vollkommen anderes darunter vorgestellt. Dass die Bewegungstherapie im HIM Programm mit der herkömmlichen Vorstellung von Sport nicht sehr viel zu tun hat, hat mich aber nicht enttäuscht. Ich bin vielmehr überzeugt, dass das regelmäßige Heimtraining (obwohl es auch immer wieder Unregelmäßigkeiten gibt) zum Erhalt und auch zur Verbesserung der Funktion meiner Gelenke und Muskulatur und dadurch zu meiner Lebensqualität enorm beiträgt. Am Beispiel meines linken Ellbogens ist mir das kürzlich wieder deutlich geworden. Während ich vor zwei Jahren beim Fahrradfahren nach jeder Erschütterung einen stechenden Schmerz im linken Ellbogen spürte, hat sich dieses Problem inzwischen verflüchtigt, vermutlich da sich mein Ellbogen jetzt deutlich weiter in die Streckposition bringen lässt. Die Ursache dieser Verbesserung sehe ich in einer Übung, die vor zwei Jahren in mein persönliches Trainingsprogramm aufgenommen wurde. Bei den nachfolgenden jährlichen Untersuchungen im Rahmen der Sportcamps wurde eine deutliche Verringerung des Streckdefizits im linken Ellbogen festgestellt. Für den rechten Ellbogen, bei dem das Streckdefizit nicht durch Blutungsfolgen, sondern durch eine mechanische Begrenzung verursacht ist (unerkannte Fraktur mit Knochenheilung im leicht angebeugten Zustand) wurde erwartungsgemäß keine Verbesserung erreicht.

Die individuelle Betreuung durch das Team aus Ärzten, Sportwissenschaftlern und Physiotherapeuten, die mit dem seltenen Krankheitsbild der Hämophilie vertraut sind, schätze ich sehr und die jährlichen Untersuchungen von Gelenken und Muskulatur geben mir eine wichtige Rückkopplung. Das Konzept des ‚Personal Trainers‘, dem man in Form der Trainingsdokumentation Rechenschaft schuldet, hilft mir auch die Motivation zwischen den Camps zu erhalten. Ebenso finde ich es interessant und wichtig für die Motivation, dass bei den Sportcamps nicht nur die Übungen gezeigt werden, sondern auch der Sinn und Hintergrund der Übungen erläutert wird.

Neben den objektiven medizinischen Gründen gibt es aber auch ‚weiche Faktoren‘, die mich bewegen immer wieder gerne nach Bad Blankenburg zu kommen und dafür auch Zeit, Geld und Urlaubstage einzusetzen: Das liebenswürdige und kompetente Team, die herzliche Atmosphäre in den Sportcamps, der erfrischende Austausch untereinander, aber auch die Möglichkeit mich für ein paar Tage ganz auf mich und meinen Körper zu konzentrieren. Ich freue mich schon aufs nächste Sportcamp und hoffe, dass dieses nachhaltige Therapiekonzept auch auf längere Sicht fortgeführt werden kann.

„Da fahren sogar Leute im Rollstuhl hin.“ Das war im Sommer 2007 der Schlüsselsatz meines Behandlers in der Uniklinik Bonn, der mich dazu brachte, überhaupt darüber nachzudenken eine Teilnahme einem „Sportcamp“ in Bad Blankenburg in Erwägung zu ziehen.

Zu diesem Zeitpunkt ging es mir richtig schlecht. Im Februar 2007 hatte ich einen Unfall, war auf mein ohnehin schwächeres und stark lädiertes Knie gestürzt, saß im Rollstuhl und der Durchgangsarzt prognostizierte mir „Da kommen Sie ohne künstliches Kniegelenk so wie so nicht mehr raus.“ Das konnte, wollte und durfte ich für mich so nicht akzeptieren. Intensive Physiotherapie zu Hause brachte mich zwar so weit, dass ich mich auf zwei Krücken (sorry „Unterarmgehhilfen“) in meiner Wohnung wieder bewegen konnte, aber das ging mir alles zu langsam und half mir nicht wirklich weiter. Ich suchte also krampfhaft nach Möglichkeiten, meinen Zustand schneller wieder zu verbessern.

„Rufen Sie die Dörte Czepa doch mal an“, ermunterte mich mein Behandler in Bonn, „die ist Projektleiterin von so einem Sportprogramm, das die Uni in Jena speziell für Hämophile veranstaltet, um deren Beweglichkeit zu erhalten und zu verbessern.“

Das tat ich dann im Spätsommer 2007 auch, immer noch zweifelnd, ob ich mich nicht lächerlich machen würde. Was sollte ich denn bei einem „Sportprojekt“, ich hatte nichts „aufzutrainieren“, sondern lag quasi wie ein Maikäfer auf dem Rücken und war immer jemanden angewiesen, der mir die Kaffeetasse auf den Tisch stellte. Dörte macht mir aber in einem ausführlichen Telefongespräch Mut, “probieren Sie’s doch einfach aus, wir haben hier die unterschiedlichsten Altersklassen und Krankheitsbilder und können unsere Übungseinheiten individuell auf jeden anpassen. Was Sie können, machen Sie mit und was nicht eben nicht.“

Für Oktober 2007 meldete ich mich also zum Sportcamp an. Als ich einige Zeit später den Programmplan in den Händen hielt, wollte ich mich spontan wieder abmelden. „Aufwärmen in der Halle, Kraftmessung, Ausdauertraining auf der Tartanbahn …“, völlig absurd für mich. Aber kneifen gab’s für mich nicht und Dörtes Worte im Ohr fuhr ich nach Bad Blankenburg. Mit dem Auto, und schon ohne Rollstuhl, aber immer noch die beiden Krücken fest im Griff, ohne die ich mich außerhalb des Autos überhaupt nicht bewegen konnte.

Ich fand dort nicht nur ein hochmotiviertes, kompetentes und engagiertes Trainer- und Ärzteteam vor, das tatsächlich individuell auf den jeweiligen Bewegungszustand des einzelnen einen Trainingsplan aufstellte und begleitete, sondern auch eine Teilnehmergruppe, in der jeder jedem half, man sich gegenseitig unterstützte und motivierte, um das Training so gut wie möglich ausführen zu können.

Allein die Tipps und Hinweise während des Sportcamps zur Verbesserung der Bewegungsabläufe, Körperhaltung und -wahrnehmung und vor allem die anschließende telefonische Begleitung und Motivation durch den Personal Trainer(in) im Heimtraining halfen mir sehr an den Übungen dranzubleiben und die Intensität nach und nach zu steigern. Seitdem habe ich keines der zweimal im Jahr angebotenen Sportcamps ausgelassen. Von Mal zu Mal stellte ich fest, dass sich mein Gesundheitszustand besserte.

Beim ersten Sportcamp brauchte ich wegen meiner beiden Krücken noch jemanden, der mir das Essentablett zum Tisch brachte. Ausdauerübungen oder mehr als 5 Minuten in der Halle gehen ohne mich hinzusetzten oder gar gehen auf der Tartanbahn draußen gingen gar nicht. Das überließ ich den anderen. Beim nächsten Mal kam ich dann schon mit einer Krücke zur Unterstützung aus. Die Aufwärmübungen in der Halle konnte ich länger mitmachen. Meine Kraft und Beweglichkeit waren spürbar größer.

Beim Sportcamp im Oktober 2011 brauchte ich schließlich im Haus und in der Halle keine Gehstütze mehr. Ich konnte eine überschaubare Strecke auch ohne gehen, fand mich plötzlich sogar auf der Tartanbahn draußen wieder und wollte versuchen in der Gruppe mit den anderen Teilnehmern eine Runde zu gehen. Ich habe es tatsächlich geschafft. 400 Meter in einem Stück - unvorstellbar für mich zuvor, aber ein toller Erfolg.

Ich werde auf jeden Fall weitermachen. Das Sportcamp hat mir sehr geholfen meine Konstitution, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit wieder in die richtige Spur zu bringen und meine Lebensqualität damit deutlich zu verbessern.
Am HIM-Projekt teilzunehmen hat sich für mich als echter Glücksfall erwiesen.
Dank an das gesamte Team der Sportmedizin.

Schon lange habe ich mich gefragt, wie es möglich ist, dass die Regeneration bei Spitzensportlern manchmal so unheimlich schnell vor sich geht und bei mir der kleinste blaue Fleck Tage lang einfach nicht verschwinden will. Da muss doch noch etwas anderes sein als „nur“ die Behandlung mit Faktor. Per Zufall bin ich letzten Herbst auf ein Programm der Bergischen Universität Wuppertal in Zusammenarbeit mit den deutschen Hämophilie-Verbänden gestoßen: Haemophilia in Motion (kurz: HIM) – Das Sporttherapieprogramm für Erwachsene mit Hämophilie. Sporttherapie soll die Gelenksituation verbessern bzw. erhalten, die körperliche Leistungsfähigkeit erhöhen und die Lebensqualität stärken. Zweimal jährlich wird ein 3.5 Tage langes Sportcamp organisiert wo das Heimtrainingsprogramm geschult wird. Das tönt interessant. Ob ich da als Schweizer auch mitmachen kann? „Kein Problem, sie würden sich sehr freuen mich im Oktober in Bad Blankenburg begrüßen zu dürfen“ teilte mir Dörte Czepa vom Lehrstuhl für Sportmedizin der Universität Wuppertal mit. Ich freute mich, was mich wohl erwarten würde? Vor der Abreise wurde es noch etwas hektisch – ich habe festgestellt, das dieses Bad Blankenburg im ehemaligen Osten von Deutschland liegt, weit im Norden und weit weg jeglicher Großstadt. Wie komme ich ohne Auto nur dahin? Nach Rücksprache mit Frau Dr. Brand habe ich eine kleine Mail-Umfrage unter Jugendlichen gemacht ob nicht noch jemand Interesse an diesem Programm hätte. Wie es der Zufall will, hat sich Michael gemeldet und als ehemaliger Lastwagenchauffeur war für ihn diese Fahrt auch kein Problem.

So machten wir uns also an einem stockdunklen Donnerstagmorgen früh um 5 auf den Weg Richtung Ostdeutschland. Auf einem einsamen Parkplatz im Industriegebiet in Konstanz trafen wir noch zwei Hämophile aus dem Bodenseegebiet. Zu viert plaudernd verlief die rund 6-stündige Fahrt wie im Fluge. Auch die Kollegen aus Deutschland nahmen das erste Mal an diesem Programm teil. Bad Blankenburg liegt im ehemaligen Ostteil von Deutschland in Thüringen, ein kleines Städtchen mit einer großen Sportschule mitten im Nirgendwo. Das Wetter war bewölkt, kalt und ein leiser Nieselregen prasselte gegen die Scheiben. Sind wir hier richtig für ein paar Tage Sport und Spaß Doch die Skepsis verflog schnell mit der herzlichen Begrüßung durch Dörte und ihr Team. Unter der Leitung von Professor Thomas Hilberg waren mehrere diplomierte Sportwissenschaftler, ein Physiotherapeut sowie eine Ärztin für die rund 35 Personen aus ganz Deutschland und der Schweiz zuständig. Die einzelnen Tage begannen jeweils um 7h15 mit einem freiwilligen Morgenturnen. Täglich mit wechselndem Thema – mal zu Fuss in den Tag, mal fernöstliches Tai Chi.

Am Vor- und Nachmittag gab es jeweils zwei bzw. drei Trainingseinheiten zu den verschiedenen Körperregionen (Sprung- und Kniegelenk, Rücken, Oberkörper) sowie Ausdauer. In diesen Einheiten lernten wir die Anatomie des Körpers und mehrere Therapieübungen kennen. Ich sah meinen Körper nun plötzlich aus ganz anderer Sicht, spürte Muskeln von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie überhaupt hatte! Der Körper fühlte sich danach irgendwie wie frisch saniert an. Mit spannenden Diskussionen im Pub der Sportschule schlossen wir jeweils den Tag ab – selbstverständlich ohne Alkohol wie es sich für Sportler gehört! Parallel zu den Trainingseinheiten wurde jeder Teilnehmer individuell sportmedizinisch untersucht. Nach einem ausführlichen Fragebogen wurde der Körper ausgemessen, Koordination und Kraft protokolliert und die Ausdauer erfasst. Ein ärztliches Gespräch sowie ein Termin beim Physiotherapeuten standen auch noch an. Aufgrund dieser Daten hat zwei Wochen nach dem Camp jeder Teilnehmer seinen eigenen Trainingsplan für zu Hause bekommen. Mit vielen neuen Erkenntnissen, neuen Kontakten und großer Motivation traten wir dann am Sonntag-Mittag die Heimreise an. Der Trainingsplan besteht bei mir aus 8 Übungen (mit oder ohne Thera-Band) sowie einer Ausdauereinheit (Radfahren, Walken oder Schwimmen). Ideal ist es, wenn die Übungen abwechselnd mit der Ausdauereinheit alle 2-3 Tage ausgeführt werden. Und damit dies auch nicht vergessen geht, krieg ich jeweils am Monatsanfang eine freundliche Mail von meinem Personal Trainer aus Wuppertal. Ich kann ihn jederzeit kontaktieren, falls Fragen auftauchen oder der Trainingsplan aufgrund irgendwelcher Blutungen angepasst werden muss. Nun lag der Ball also bei mir und von ein paar Ausnahmen abgesehen, versuche ich regelmäßig diese Übungen zu machen. Schon nach den ersten Wochen zeigten sich positive Resultate. Insgesamt fühle ich mich viel kräftiger, fitter und ich musste weniger substituieren. Ob dies auch wissenschaftlich so ist erfuhr ich ein paar Tage vor Karnevalsbeginn in Wuppertal. An diesem kurzen Wochenend-Camp direkt in der Universität wurden wir nochmals komplett untersucht. Die Werte mit denen von Bad Blankenburg verglichen. Und tatsächlich, auch wissenschaftlich, alle Werte sind insgesamt besser geworden. Der Weg stimmt und ich werde weiter dran bleiben.

Es war eine gute Entscheidung letzten Herbst an diesem Sporttherapie-Programm teilzunehmen. Nebst den vielen neuen Kollegen, den interessanten Gesprächen hat mich vor allem die positive Stimmung gefreut, die in diesen Camps herrschte. Man hat das Gefühl bekommen, mit der Sporttherapie wirklich ein Instrument in die Hand zu bekommen um die Gelenke und den Körper zu stärken.
(Veröffentlicht im SHG-Bulletin 119 - 1/2010)